Parmigiani Ovale Pantographe


Im Wust der nahezu unzähligen Uhrenmarken macht sich Beliebigkeit breit. Die großen Marken repetieren unaufhörlich Altbekanntes sowohl im Design als auch in der Technik. Wie wohltuend sind da, für einen Uhrensammler wie mich, die kleinen und ebenso feinen Uhrenmarken, die durch außergewöhnliche Innovation und durch eben jenen Mut glänzen, der den Großen der Branche nur allzu oft fehlt.

Immer öfter höre ich von anderen Uhrensammlern, dass diese außergewöhnlichen und innovativen Marken die Freude und die Passion zurück bringen, die uns doch eigentlich alle antreibt.

Parmigiani Fleurier ist für mich eine dieser Uhrenmarken die weit mehr machen als nur Uhren bauen die man dann gewinnbringend verkaufen kann. Parmigiani ist eine spannende und sehr kompetente Marke, eine echte Manufaktur.  Der Manufakturansatz macht es erst möglich, dass man bei Parmigiani in Fleurier, im idyllischen Val de Travers gelegen, gleichermaßen innovative wie auch spannende Uhren fertigen kann.

Dabei ist Parmigiani eine vergleichsweise junge Marke und vielleicht ist genau das auch der Vorteil. Man trägt kein enges Korsett aus Traditionen und Gewohnheiten mit sich herum, das anderswo so oft zu Unbeweglichkeit und Stillstand führt.

Als junger und talentierter Uhrmacher hatte Michel Parmigiani auch etwas Glück. Er wurde von der Fondation Edouard et Maurice Sandoz angestellt, um die Uhren und Automaten der  Sandoz-Sammlung zu warten und zu pflegen.

Darunter ganz außergewöhnliche mechanische Kunstwerke. Er lernte also sehr viel über alte und komplexe Mechanismen. Und es wuchs der Traum, das Gelernte auch in neue, moderne eigene Uhren zu übersetzen.

Und da die Sandoz-Stiftung nicht nur Kunst und Uhren sammelt, sondern auch das Unternehmertum in der Schweiz fördert, ermögliche man es Michel Parmigiani 1996 die eigene Uhrenmarke zu gründen. Der Restauration und der Pflege der Sandoz-Sammlung indes ist er bis heute treu geblieben.

Entstanden sind in den letzten 20 Jahren so grandiose Uhren wie die verschiedenen Bugatti-Modelle, die so viel mehr sind als nur Uhren, die zu Marketingzwecken den großen Namen einer automobilen Ikone tragen. Sie sind die Übersetzung des Automobilthemas in die Welt der Uhren.

Mehr über Parmigiani habe ich bereits hier in diesem Blog veröffentlicht:

Parmigiani @ 100percentpassion

Über eine ganz besondere Parmigiani-Uhr mit einem ganz besonderen Werk gibt es hier zu lesen:

Ungewöhnlich Uhr – außergwöhnliches Werk

Doch, neben höchst komplexen Uhren und Mechanismen kann Parmigiani auch faszinierende “einfache” Uhren bauen, wie z.B. die wunderbare Tonda 1950.

Und so wunderbare Kaliber wie das PF 702.

Einer meiner persönlichen Favoriten ist der ungewöhnliche Jahreskalender Tonda Quator, der mich genau deswegen auch seit geraumer Zeit begleitet.

Die Wurzeln von Parmigiani liegen aber zweifelsohne in der Restauration historischer Stücke. Und genau dort holt man sich auch tolle Ideen für aktuelle Uhren.

Ein wunderbares Beispiel hierfür ist eine Taschenuhr von Vardon and Stedman aus London.

Dieses wunderschöne Stück Zeitgeschichte aus dem frühen 19. Jahrhundert ist Teil der Sandoz-Sammlung (Inventarnummer 91).

Und natürlich wurde es von Parmigiani restauriert.

Das absolut Besondere an dieser ovalen Taschenuhr sind die Teleskopzeiger. Bei der ovalen Gehäuseform gibt es ja immer das optische Problem, dass die Zeiger zwar bei 3 und 9 Uhr hinsichtlich der Länge passen, aber bei 6 und 12 Uhr, wegen der größeren Dimension des Gehäuses in dieser Richtung, wesentlich zu kurz wirken.

Vardon & Stedman entwickelten einen genialen Mechanismus zweier teleskopischer Zeiger die ihr Länge je nach Stellung perfekt ändern können. So wirken die Zeiger immer in der perfekten Länge.

Hier einige Live-Bilder dieser Uhr aus dem Restaurations-Atelier in Fleurier.

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Das folgende Bild zeigt den ersten Entwurf der Parmigiani-Armbanduhr mit den Teleskopzeigern.

Im Jahr 2011 präsentierte Parmigiani die Übersetzung der Vardon & Stedman Uhr in die Gegenwart, den Ovale Pantographe.

Dabei kopierte man nicht einfach den alten Mechanismus, man konstruierte einen neuen, zweitgemäßen Zeigersatz, bei dem jeder einzelne Zeiger aus nicht weniger als 32 Einzelteilen besteht.

Doch es sollte bis in das Jahr 2013 dauern, bis dieser komplexe und geniale Mechanismus zur Serienreife gelangt ist.

Kaum zu glauben, wie aufwändige diese Teleskopzeiger konstruiert sind. Die erste, 2011 präsentierte Version des Ovale Pantographe hatte ein Emaille-Zifferblatt.

Die in 2013 auf dem Genfer SIHH präsentierten Modelle glänzten mit einem Guilloche-Blatt entweder im Rosé- oder im Weißgoldgehäuse.

Im Jahr 2015 präsentierte Parmigiani die aktuelle Version des Pantographen.

Diese gibt es ebenfalls im Rosé- und in Weißgoldgehäuse. Das Zifferblatt ist nun weiß glänzend lackiert und mit königsblauen Indizés und Ziffern versehen, die sehr gut zu den gebläuten Teleskopzeigern passen.

Alle Varianten vereint ein wunderschönes Formwerk, das PF 111.

Es basiert auf dem allerersten Manufakturkaliber von Parmigiani, dem PF 110. Mit diesem Kaliber fing alles an.

Der aufmerksame Beobachter erkennt die Unterschiede in der Zifferblattgestaltung der verschiedenen Generationen des Ovale Pantographe.

Allen gemein ist eine Gangreserveanzeige des 8 Tage laufenden PF 111 in der oberen Hälfte des Blattes und die Datumsanzeige in der unteren Hälfte.

Die Funktionsweise der Teleskopzeiger zeigt das folgende Zeitraffer-Video, dass eine Stunde auf 30 Sekunden reduziert:

Die Funktion der Zeiger noch einmal in Bildern. Ich beginne mit dem Stundenzeiger, erst bei 9 Uhr, der Zeiger ist maximal kurz.

Und bei 6 Uhr, wo er seine maximale Länge zeigt.

Noch etwas mehr an Länge schafft der Minutenzeiger, erst bei 3 Uhr…

… und schließlich bei 6 Uhr bzw. richtigerweise 30 Minuten.

Die Zeiger auf Ihrem Weg rund um das Zifferblatt zu beobachten ist einfach wunderbar!

Bewaffnet man das Auge mit einer Lupe, so kann man die filigrane, gelenkige Ausführung bewundern.

Die Mechanik für die Steuerung der Teleskopfunktion befindet sich sämtlich hier, in der überdimensionalen Zeigerachse.

Alles in allem eine höchst außergewöhnliche Uhr, die für mich Parmigiani Fleurier in perfekter Art und Weise widerspiegelt.

Eine tolle und komplexe Funktion mit Anleihen aus der Restauration…

… fein in die heutige Zeit übersetzt in bester Manufaktur-Qualität.

Das Gehäuse besticht durch eine höchst spannende Form. So ist es insgesamt gekrümmt und folgt so der Kontur des Handgelenks.

So passt sich die 45mm x 37,6mm große Uhr perfekt auch an nicht allzu große Handgelenke an. Die 12mm an Höhe unterstreichen die elegante Form.

Aber absolut spannend, da auf den ersten Blick nicht zu erkennen, ist die Wölbung des oberen Safirglases.

Dieses ist ganz leicht doppelt, also in Längs und Querrichtung, konkav geformt.

Wer die Gelegenheit bekommt der Fertigung dieses Meisterstücks beizuwohnen der erlebt etwas Großartiges!

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In der Summe ist der Parmigiani Ovale Pantographe eine der spannendsten Uhren der heutigen Zeit. Und, wie es bei Parmigiani oft der Fall ist, erkennt man dies erst auf den zweiten Blick.

Grund genug für mich, eben diesen zweiten Blick zu empfehlen. Sie werden spannende Dinge erleben…

Unter anderem werden Sie bei Parmigiani auch eine wunderbare Tischuhr finden, die das Design und die Zeigertechnik der Vardon & Stedman Taschenuhr aufgreift.

WMP_RGB_MWU_Parmigiani_Uhr_PantographeDas Kaliber ist freilich ein gänzlich anderes, aber das befeuert die Begeisterung eher als dass es ihr schadet.

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Parmigiani ist zwar eine kleine, dafür aber enorm feine und vielseitige Marke.

P.S.: Wer sich beim lesen dieses Artikels gefragt hat, was denn nun ein Pantograph ist der findet bei Wikipedia die folgende Erklärung:

“Pantograph bedeutet wörtlich aus dem Griechischen übersetzt Allesschreiber. Das Gerät, auch als Storchenschnabel oder Storchschnabel bezeichnet, ist ein mechanisches Präzisionsinstrument zum Übertragen von Zeichnungen in einen gleichen, größeren oder kleineren Maßstab.” (Quelle: Wikipedia)

So schaut so ein Pantograph aus, der z.B. in der Grafik Verwendung findet.

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Aber auch in unserer täglichen Umwelt findet sich dieses Prinzip, u.a. bei den Stromabnehmern unserer Straßenbahnen und Züge.

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Die Beschäftigung mit tollen Uhren trägt also durchaus auch zur Allgemeinbildung bei.

Kategorien:Parmigiani Fleurier, UhrenSchlagwörter:, ,

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