TAG Heuer Pendulum


2009- Pendulum Concept Watch

Die Baselworld 2009 hielt für das versammelte Fachpublikum einen Paukenschlag bereit. TAG Heuer präsentierte, nach mikromechanischen Wunderwerken wie der Monaco V4, siehe hier:

TAG Heuer Monaco V4 – tradition has a future

die nächste Meisterleistung von Guy Sémon und seinem Team.

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Man zeigte voller Stolz die Pendulum Concept Watch, die allerdings noch 4 weitere Jahre bis zur Serienreife brauchen sollte.

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Bei der Pendulum Concept handelte es sich um eine Dreizeigeruhr, die über einen revolutionären Mechanismus verfügte. Die Hemmung wurde erstmals über vier Dauermagnete (zwei an der Achse der Unruh befestigte und somit bewegliche und zwei fest montierte) realisiert. So etwas hatte zuvor noch niemand versucht. Da die Ganggenauigkeit der Concept-Uhr noch nicht als optimal bezeichnet werden konnte forschte das Team um Guy Sémon weiter und so entstanden u.a. vollkommen neue Metalllegierungen, deren Einsatz schlussendlich vier Jahre später die Serienreife des Konzeptes ermöglichten. Mit diesen neuartigen Legierungen für die Dauermagnete konnten die Resistenz des Systems gegenüber Temperaturschwankungen erheblich gesteigert und die avisierte Ganggenauigkeit realisiert werden.

2013 Mikropendulum & MikropendulumS

Die Monaco V4, der Mikrograph, der Mikrotimer, der Mikrogirder und seit 2013 auch das Mikropendulum waren alle samt Weltpremieren aus dem Hause TAG Heuer.

ThreeMikros[1]

Es waren jeweils die erste Uhr mit Zahnriemenantrieb, der erste Armband-Chronograph mit einer Frequenz von 50 Hz (360.000A/h), der erste Chronograph mit 500 Hz (3.600.000 A/h), der erste Chronograph mit 1.000 Hz (7.200.000 A/h) und Gewinner des Aiguille d’Or des  Grand Prix d’Horlogerie de Genève 2012 und, im Fall des Mikropendulum, die erste durch Magnetismus angetriebene Hemmung.

Unbenannt

TAG Heuer wird seinem Markennamen, genauer dem Akronym „Technologie d’Avant-Garde“ immer wieder in höchstem Maße gerecht. Und einen maßgeblichen Anteil daran hat Guy Sémon. Seit seinem Eintritt in die Marke im Jahr 2004 hat der Mathematiker, Physiker, Ingenieur und frühere Testpilot bei TAG Heuer und mittlerweile auch innerhalb der LVMH Watch Division eine wissenschaftliche Herangehensweise an das Thema „Mechanische Uhr“ etabliert, die wahrlich bahnbrechende Entwicklungen ermöglicht hat.

Guy-Semon[1]

Dieser gänzlich andere Blickwinkel eines Naturwissenschaftlers auf das mechanische System und die Einbeziehung modernster Verfahren wie die „Advanced Mechanics“ bringt immer wieder Lösungen hervor, die zuvor als unmöglich galten.

magnet[1]

So nutzt das Mikropendulum z.B. als erstmalig  Magnetismus als Grundprinzip für die Hemmung einer mechanischen Uhr.

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Die Schwingung der Unruh wird bei diesem Konzept angeregt durch permanente Magnete.

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Das Prinzip dieser Hemmung beruht also auf den Anziehungs- und den Abstoßungskräften von Magneten bzw. von deren Polen.

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Die Richtung und Stärke magnetischer Kräfte kann man durch Feldlinien anschaulich darstellen. Ein Magnet ruft ein Magnetfeld hervor und wird von diesem durchströmt. Die Oberflächenbereiche, die vom überwiegenden Teil des Magnetfeldes durchflossen werden, heißen die Pole des Magneten; nach gängiger Konvention treten die Feldlinien am „Südpol“ (meist grün dargestellt) in den Magneten ein und am „Nordpol“ (rot) aus.

Pendulum mag

Das Pendulum umfasst, wie bei einem herkömmlichen Gangregler auch, einen Unruh. Allerdings wurden in das Unruhsystem des Pendulums zwei Magnete, ein positiver und ein negativer Dauermagnet, integriert. Diese Magneten befinden sich, gegenüberliegend eingelassen in eine kleine Scheibe, unterhalb an der Achse der Unruh (im folgenden Bild rot markiert) und ersetzen die bei üblichen Systemen vorhandene Spiralfeder. Die Unruh an sich dient als Gewicht.

Pendulum mag 1

Diese mit den zwei Magneten besetzte Scheibe unterhalb der Unruh rotiert umgeben von einem Ring, in den ebenfalls zwei Dauermagnete, ein positiver und ein negativer Pol, eingelassen sind (im folgenden Bild  grün markiert).

Pendulum mag 2

Durch die Anordnung dieser insgesamt vier Dauermagnete in der Scheibe und in dem Ring ziehen sich die Magnete an und stoßen sich ab (siehe das folgende Bild).

Pendulum mag 4

Jeder, der schon einmal Magnete in dem Händen hielt weiß, dass diese sich auch gegenseitig anziehen und abstoßen. Die Anziehung ist immer dann der Fall, wenn sich zwei unterschiedliche Pole oder unterschiedlich gepolte Dauermagnete begegnen.

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Eine Abstoßung hingegen wird immer dann erfolgen, wenn sich zwei gleiche Pole/gleich gepolte Dauermagnete begegnen.

Ein+Magnet+hat+zwei+Pole_+Nordpol+und+Südpol![1]

Und genau auf diesem Prinzip der Anziehung und Abstoßung von Magneten basiert auch der Pendulum-Mechanismus von TAG Heuer. Die Unruh wird zu einer gleichmäßigen Schwingung angeregt, weil sich die Dauermagnete an Scheibe und Ring (s.o.) bei der Rotationsbewegung der Scheibe im Ring ständig anziehen und wieder abstoßen. Dadurch wird die Schwingung der Unruh, die den Vorgang durch ihr Gewicht unterstützt, immer wieder angeregt.

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Diese Schwingung der Magnete ist abhängig vom Drehmoment der Abstoßung/Anziehung der Dauermagnete. Dieser Umstand führt zu einigen massiven Herausforderungen, die es für eine Serienproduktion noch zu lösen galt.

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Das Prinzip der Pendulum mag einfach klingen, allerdings erforderte es intensive und jahrelange Forschung von Guy Sémon und seinem Team. So mussten z.B. die Auswirkungen durch Temperaturschwankungen minimiert werden. Die Stärke des Magnetfeldes wird maßgeblich durch Schwankungen in der Umgebungstemperatur beeinflusst. So nimmt die Stärke des Magnetfeldes ab, wenn die Temperatur steigt, da die Teilchen in einem Magneten bei höheren Temperaturen zu schwingen beginnen. Das kann bis zum vollständigen Verlust der magnetischen Eigenschaften führen. Die spezifische Temperatur, bei der ein Magnet seine magnetischen Eigenschaften verliert nennt sich Curie-Temperatur.

Bei der Lösung dieses Problems spielen vollkommen neu entwickelte Metalllegierungen die entscheidende Rolle. Verwendung fanden die „seltenen Erden“ Gadolinium und Samarium sowie das Übergangsmetall Kobalt.

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Für zwei der vier Dauermagnete wurde eine Legierung aus Samarium Kobalt verwendet, für die anderen beiden Dauermagnete eine Legierung aus Gadolinium Samarium Kobalt. Kobalt und Samarium ergeben sehr starke Dauermagnete, deren Magnetfeld ca. 1 Tesla stark ist. Dies entspricht dem 100.000 fachen des Erdmagnetfeldes.

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Durch den Einsatz von Gadolinium, dessen Curie-Temperatur bei 20 Grad Celsius liegt, wurden die Eigenschaften der Samarium Kobalt Magnete dahingehend positiv beeinflusst, dass die Stärke des Magnetfeldes reduziert und damit deren Temperaturempfindlichkeit gesenkt worden ist. Eine Legierung, in der sich diese drei Legierungsbestandteile hinsichtlich des magnetischen Feldes und der Temperaturempfindlichkeit ideal ausgleichen, war das erklärte Ziel der Forschung. Und dieses Ziel wurde mit einer Legierung bestehend aus 56% Kobalt-Samarium und 44% Gadolinium erreicht, die ein absolut stabiles Magnetfeld im Temperaturbereich von -20°C bis +70°C garantiert.

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Ebenfalls von entscheidender Bedeutung war die gleichmäßige Schwingung der Pendulum-Unruh, sprich also ein gleichbleibendes Drehmoment, da dieses die Ganggenauigkeit direkt beeinflusst. Diese gleichmäßige Schwingung ist nicht nur abhängig von der Umgebungstemperatur. Vor allem die Konstruktion und Gestaltung der gesamten Hemmung hat Einfluss auf das Drehmoment.

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Guy Sémon und sein Team berechneten das komplette Pendulum mathematisch und mechanisch von Grund auf neu und nutzten so die Möglichkeiten der „Advanced Mechanics“ und im Speziellen die „Finite Elemente“. Dabei muss das Design des Pendulum für die avisierte Schwingfrequenz individuell berechnet werden. Oder anders ausgedrückt: das Design des Pendulums, das mit 12 Hertz schwingt ein anderes Design zeigt als das eines Pendulums, das mit einer Frequenz von 50 Hertz die Messung von 1/100 Sekunden möglich macht. Und das obwohl beide Systeme mit einer Amplitude von 70 Grad arbeiten.

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In einem abschließenden Schritt wurde der Mechanismus dann zur Serienreife geführt. War der 2009 präsentierte Prototyp des Pendulum noch eine Dreizeigeruhr, so entschied man bei TAG Heuer die Serienuhr als Chronograph zu konzipieren. Die von TAG Heuer entwickelten Dauermagnete werden in Form von Platten bei einer spezialisierten Firma in den USA hergestellt und dann einer Spezialfirma in Besançon/ Frankreich per Drahterosion zugeschnitten und nachbearbeitet.

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Neben den vielen Innovationen und technologischen Highlights ist sicher auch der Verkaufspreis der Uhr eine Sensation. Im positiven Sinne. Denn mit einem Verkaufspreis von nur 35.000 CHF hat für das Mikropendulum, mit Blick auf die einzigartige Konstruktion, wohl kaum jemand gerechnet.

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Im Fall des Mikropendulum wurde eine duale Werkarchitektur gewählt. Das heißt, dass es ein jeweils vollkommen separates Räderwerk und je einen Gangregler für die Zeitanzeige und für den Chronographen (als Tourbillon) gibt. Dabei arbeiten die herkömmliche Hemmung der Zeitanzeige mit 4 Hertz (28.800 A/h, 42 Stunden Gangreserve) und die des Chronographen als magnetischer Pendulum-Mechanismus mit beeindruckenden 50 Hertz (360.000 A/h, 90 Minuten Gangreserve). Die duale Architektur verhindert einen Einfluss des Chronographen auf die Präzision der Zeitanzeige, wie es bei herkömmlichen, per Kupplung verbundenen Mechanismen der Fall ist.

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Auch bei der größeren, ebenfalls im Jahr 2013 als Concept-Uhr präsentierten Schwester MikropendulumS Concept ist diese duale Architektur zu finden. Der Zusatz “S” in der Modellbezeichnung steht für den Plural, sprich es weist darauf hin, dass in diesem Uhrwerk bestehend aus 454 Einzelteilen  zwei magnetische Pendulum-Hemmungen verbaut sind.

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Der Pendulum-Mechanismus der Zeitanzeige ist bei der Konzeptuhr als Tourbillon ausgeführt und arbeitet mit einer Frequenz von 12 Hertz  (86400 A/h).

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Der Mechanismus des Chronographen ist ebenfalls als Tourbillon ausgeführt und schwingt mit einer Frequenz von 50 Hertz (360.000 A/h).

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Das Tourbillon der Zeitanzeige rotiert dreimal, das des Chronographen zwölfmal pro Minute. Die höhere Frequenz für die Zeitanzeige (im Vergleich zu herkömmlichen Hemmung des Mikropendulum mit Unruh und Spiralfeder, die mit 4 Hertz arbeitet) ist notwendig, weil das Magnetpendelsystem eine Frequenz von mindestens 12 Hertz benötigt.

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Das Gehäuse des MikropendulumS besteht aus einem Legierung aus Chrom und Kobalt, welche vor allem in der Luftfahrtindustrie und in der Chirurgie verwendet wird. Es ist voll und ganz biologisch verträglich, härter als Titan, aber einfacher zu formen und so glänzend wie Weißgold.

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Das Gehäusedesign mit der einer Stoppuhr ähnlichen Positionierung der Krone bei 12 Uhr ist an das Design des Gewinners der Aiguille d’Or 2012, den TAG Heuer Carrera Mikrogirder, sowie der Carrera 50 Year Anniversary Jack Heuer Edition angelehnt.

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Die Entwicklung des Pendulum als Ersatz für die herkömmliche Hemmung zeigt die Innovationsfreude, aber vor allem auch die Kompetenz im Hause TAG Heuer. Und diese Innovationsfreude weitet sich auch auf die anderen Anteile der LVMH Watch Division aus, denn Guy Sémon und sein Team sind integraler Bestandteil des Research & Development Instituts dieser Division. Wir dürfen uns also auf noch wesentlich mehr mechanische Wunderwerke freuen.

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Mein nächster Artikel in dieser Reihe widmet sich zwei weiteren Meisterwerken von TAG Heuer, die beide in 2011 präsentiert worden sind: dem Mikrograph 1/100th und dem Mikrotimer Flying 1000.

 

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