A. Lange & Söhne – digital
Gibt es Digitaluhren von A. Lange & Söhne aus Glashütte? Auf den ersten Blick mag diese Frage etwas absurd wirken. A. Lange & Söhne ist der Inbegriff für feine mechanischen Uhren, die kleinen Kunstwerken gleichen.
Wie passt da “digital”?
Seit dem Jahr 2009 passt digital perfekt zu A. Lange & Söhne. Im Januar 2009 präsentierte die sächsische Uhrenmanufaktur eine Uhr die “typisch Lange” ist: sie faszinierte sofort, zeigte ungewöhnliche technische Lösungen und bewegte ich hinsichtlich Qualität und Anmutung auf allerhöchstem Niveau:
die Lange Zeitwerk
Mit dem Modell Zeitwerk präsentierte Lange eine Uhr, bei welcher die Stunden und Minuten digital über Zahlenscheiben angezeigt werden. Die Uhr ist nicht nur in Optik und Machart einzigartig. Sie bietet auch technische Finessen, welche die überragende Kompetenz der Marke im Uhrenbau erneut unter Beweis stellt.
Mich fasziniert wie es Lange mit nahezu jedem neuen Modell schafft, wunderbare technische Lösungen zu finden, die dann die Funktion der Uhr optimieren. Da hat alles seinen Sinn. Doch meist bekommt der “normale” Besitzer so einer mikromechanischen Präziose gar nicht mit, was genau er da technisch gesehen am Arm trägt.
Für mich ist es gerade diese technische Kompetenz und die Art, wie Lange eben diese “verpackt”. Das macht Lange unerreicht und einzigartig.
In diesem Artikel solle es also um die Lange Zeitwerk in all ihren Varianten gehen. Ich möchte versuchen, meine eigene Begeisterung für die Marke und das Modell zu transportieren. Und es soll um die Technik der verschiedenen Modelle der Zeitwerk-Familie gehen, denn seit 2009 hat Lange einige Versionen der Zeitwerk präsentiert.
Lange präsentierte also im Jahr 2009 die Zeitwerk und die Uhr war wie ein Paukenschlag. Sie war einerseits komplett anders als alles, was Lange bis dahin gemacht hat. Und doch ist es eine echte Lange. Feinste Technik, unverwechselbare und eigenständige Optik, höchste Qualität.
Sofort ins Auge fällt die Zeitbrücke, das stilbildende Element der Uhr.
Doch diese Zeitbrücke ist weit mehr als ein Designelement. Vielmehr ist sie ein elementares Bauteil des Uhrwerks. Doch dazu später mehr.
In 2009 brachte Lange die Zeitwerk in vier verschiedenen Gehäusematerialien auf den Markt
Ref. 140.029 im Weißgoldgehäuse, es ist die wohl bekannteste Version der Zeitwerk. Die Zeitbrücke ist aus naturbelassenem Neusilber, wie alle Brücken und Platinen des Uhrwerks.Ref. 140.021 im Gelbgoldgehäuse
Ref. 140.032 im Rotgoldgehäuse
Ref. 140.025 im Platingewand
Egal in welcher Version, die Zeitwerk wirkt immer ausgewogen. Mit ihren knapp 42mm im Durchmesser und 12,6mm in der Höhe ist die Uhr sehr gut tragbar.
Wendet man die Uhr, dann erlebt man den “Lange-Effekt”. Man kann den Blick gar nicht vom Uhrwerk abwenden, so schön ist es.
Das Kaliber ist das L043.1. Lange Aficionados wissen anhand dieser Bezeichnung, dass dieses Uhrwerk im Jahr 2004 (04) entwickelt worden ist. Es ist das dritte Uhrwerk, welches in diesem Jahr bei Lange entwickelt hat (3). Und es ist die erste Variante dieses Uhrwerks (.1).
Das Uhrwerk besteht aus nicht weniger als 415 Einzelteilen und 68 Rubinen, zwei davon in Goldchatons verschraubt.
Neben der Zeitanzeige über drei Zahlenscheiben
findet man in dem Werk faszinierende technische Lösungen, die sich aus der Funktion ergeben. Das exakte Schalten der Einerscheibe jede Minute, wie auch der Zehnerscheibe alle zehn Minuten stellt ebenso einen Kraftakt für das Uhrwerk dar wie auch das Schalten der Stundenscheibe alle 60 Minuten.
Die Kraft, die für das Schalten der Scheiben plötzlich notwendig wird könnte ohne Kompensation den Gang der Uhr nachteilig beeinflussen. Daher hat Lange der Uhr ein sog. Nachspannwerk spendiert.
Hier der Aufbau der digitalen Zeitanzeige als Explosionszeichnung.
Hier erkennt man gut, dass die Zeitbrücke tatsächlich ein statisches Element des Uhrwerkes ist: eine echte Brücke.
Damit die Minutenanzeige wie auch die Stundenanzeige exakt zum Minuten bzw. Stundenwechsel springt und sich nicht schleichend dreht ist immer zu diesen Zeitpunkten auf einen Schlag eine gewisse Portion Kraft notwendig, damit die jeweilige Scheibe um einen Schritt weiter gedreht wird. Dies realisiert A. Lange über ein Nachspannwerk. Dieses Nachspannwerk ist nicht mit dem der Lange 31 zu verwechseln.
Das Nachspannwerk ist das Herzstück der Lange Zeitwerk und ein technischer Kniff, der eine springende Minutenscheibe und einen gleichmäßigen Gang gleichzeitig erst möglich macht. Es fungiert einerseits als Zwischenspeicher für die Federkraft, andererseits löst es die Schaltung der Minutenscheibe aus und arbeitet dabei ähnlich wie das Schlagwerk einer Großuhr mit Warnung und Abfall. Das Nachspannwerk befindet sich zwischen Federhaus und Sekundenrad, das wiederum über das Ankerrad und Anker mit der Unruh verbunden ist. Ist die Feder des Nachspannwerks (in der Grafik dunkelblau) gespannt, gibt das obere hellblaue Rad die Kraft kontinuierlich an das Sekundenrad mit der grünen Scheibe weiter. Der Steueranker blockiert den rosa Sperrfinger und hält damit über den grauen Steuertrieb auch das untere hellblaue Rad fest, das mit dem Federhaus verbunden ist. Die grüne Scheibe bewegt nach einer Minute den Steueranker und der gibt den rosa Sperrfinger frei. Dabei bewegt sich die rechte Palette des Ankers in die gelbe Sperrscheibe, die nun mit einem Trieb das untere hellblaue Rad festhält. Dabei bewegt sich dieses Rad etwas, was der Warnung entspricht. Der Hebelstein der grünen Scheibe bewegt den Anker weiter, bis die Ankergabel plötzlich von ihm abfällt und von der oberen Feder wieder nach links gedrückt wird. In diesem Moment ist weder die gelbe Sperrscheibe noch der rosa Sperrfinger blockiert. Das Federhaus dreht das untere hellblaue Rad so lange, bis der rosa Sperrfinger wieder von der linken Ankerpalette gestoppt wird. Dabei wird die Nachspannfeder wieder gespannt und über den linken Steuertrieb die Einerminutenscheibe weitergeschaltet. Die Bewegung wird dabei auf der anderen Seite von einem Windflügel, der vom gelben Rad angetrieben wird, gebremst. Die Einerminutenscheibe schaltet dann nach einer Umdrehung die Zehnerminutenscheibe weiter und diese wiederum nach einer Umdrehung die Stundenscheibe.
Hier, unter der ankerförmigen Brücke, ist ein Teil des Nachspannwerkes im Uhrwerk zu sehen.
Eine normale Zeitanzeige über Zeiger ist, im Vergleich dazu, geradezu einfach zu realisieren. Die folgenden Zeichnungen aus der Patentschrift des Nachspannwerkes zeigen, wie komplex allein dieser Mechansimus ist. Und er ist nur ein Teil des Uhrwerks!
Im Jahr 2010 legte A. Lange & Söhne dann nach und präsentierte eine grandiose Version der Zeitwerk: die Zeitwerk Luminous Ref. 140.035.
Feinmechanisch hat Lange an der Luminous im Vergleich zur “normalen” Zeitwerk nichts verändert. Allerdings fallen sofort einige Dinge auf: die schwarze Zeitbrücke, die weißen Zahlen der Minuten- und Stundenscheiben auf schwarzem Grund und, wenn man ganz genau hinschaut, ein semi-transparentes Zifferblatt.
Der Vorteil der Uhr liegt auf der Hand, bzw. im Namen: die Uhr ist auch nachts ablesbar, da die Ziffern der Scheiben mit Leuchtmasse belegt sind. Das semi-transparente Zifferblatt ist beileibe kein Designmerkmal, sondern hat technischen Belang. Die Zahlend der Scheiben müssen belichtet werden, um bei Dunkelheit leuchten zu können. Wäre das Zifferblatt undurchsichtig, so würde sich die Leuchtmasse der Zahlen nicht mit Energie “aufladen” können.
Das obige Bild zeigt anschaulich, dass Lange das Zifferblatt beschichtet hat. Diese Beschichtung ähnelt der von hochwertigen Brillen. Sie lässt Licht hindurch, verwehrt aber teilweise den Blick auf das “Innenleben” der Uhr.
Von der Zeitwerk Luminous gab es 100 Stück im Platingehäuse.
Wiederum ein Jahr später, im Jahr 2011 präsentierte A. Lange und Söhne ein weiteres Mitglied der Zeitwerkfamilie: die Zeitwerk Striking Time.
Dieses Modell mit den Referenzen 145.025 für die Platinversion und 145.029 für die Weißgoldversion wurde, getreu dem Namen, mit einem Schlagwerk ausgestattet.
In der Ansicht von vorne sind die beiden Hämmerchen des Schlagwerkes wie auch die Tonfeder zu erkennen. Normalerweise sind diese Bauteile auf der Rückseite der Uhr. Aber Lange ist selten “normal” – im ausschließlich positiven Sinn.
Technisch unterscheidet sich dieses Schlagwerk von anderen Schlagwerken: die Striking Time verfügt über einen Drücker zum Start der akustischen Zeitanzeige. Normale Schlagwerk-Uhren haben meist einen Schieber, mit dem gleichzeitig die Feder des Schlagwerkes gespannt wird.
Die Uhr schlägt, bei eingeschaltetem Schlagwerk, alle Viertelstunden mit einem Ton und die Stunden.
In der Feinuhrmacherei ist ein solcher Viertelstundenschlag eine ebenso seltene wie nützliche Funktion – die sich auch wieder abschalten lässt: Betätigt man den Drücker bei 4 Uhr, bleibt das Schlagwerk stumm. Das lässt sich leicht kontrollieren, denn durch das Saphirglas kann man genau beobachten, wie die Hämmer von den Tonfedern weggelenkt werden. Das Gleiche geschieht übrigens auch beim Ziehen der Krone. Auf diese Weise lässt sich die Zeit in beide Richtungen frei einstellen, ohne dass der Schlagwerksmechanismus mitläuft und dabei möglicherweise blockiert.
Hier die normale Zeitwerk und die Striking Time im direkten Vergleich
Und der Anblick täuscht nicht: die Striking Time ist ca. 2mm im Durchmesser wie gut einen halben Zentimeter in der Höhe gewachsen. Für die Entwicklung eines reinen Tons braucht man Resonanzraum. Daher wurde die Uhr in ihren Dimensionen größer.
Die Funktion des Schlagwerks im Detail:
Sichtbare Vorbereitung zum Schlag
Das Federhaus der ZEITWERK stellt für das Weiterschalten der Ziffernscheiben sehr viel Kraft zur Verfügung. Ein Teil dieser Energie wird in der ZEITWERK STRIKING TIME für den Antrieb des Schlagwerks verwendet. Gleichzeitig mit jedem Ziffernsprung rückt der Tonhammer, der als nächster schlägt, gut sichtbar einen kleinen Schritt in Richtung Uhrenmitte ein. Dabei spannt sich die Feder, die den Hammer im richtigen Moment gegen die Tonfeder schnellen lässt.
Die Funktionsweise im Detail
Der Schlagwerkmechanismus wird über eine dreizackige Schnecke (1) ausgelöst. Die drei Zacken steuern den Mechanismus des Viertelstundenhammers (2a) zur rechten Seite. Eine Ebene tiefer liegt eine vierte Sternzacke für den Stundenhammer (2b) zur linken Seite. Angetrieben durch die Schaltimpulse des Sprungziffermechanismus, dreht sich die Schnecke in einer Stunde in 60 kleinen Schritten einmal um sich selbst. Dabei lenkt eine der vier Sternzacken über einen Hebel (3a, 3b) ihren Hammer aus und spannt dabei dessen Feder. Exakt zur viertel bzw. vollen Stunde überschreitet der jeweilige Hebel den Scheitelpunkt der Sternzacke, und die Feder lässt den Hammer gegen die Tonfeder (4a, 4b) schnellen.
Der Viertelstundenhammer kurz vor dem Schlagen (oben) zur Dreiviertelstunde und nach dem Schlagen (unten)
Die Striking Time in Platin:
Das Kaliber der Striking Time trägt die Bezeichnung L043.2. Mit 528 Einzelteilen hat es 113 Teile mehr als die normale Zeitwerk. Und 10 Lagersteine zusätzlich.
Lange arbeitete unermüdlich weiter und ergänzte die Zeitwerkfamilie im Jahr 2012 mit einem besonders schönen Zeitmesser, der Zeitwerk Handwerkskunst Ref.140.048
Diese, auf 30 Uhren limitierte Serie gleicht technisch der normalen Zeitwerk. Das Zifferblatt ist von Hand aufwändig über viele Stunden graviert worden, was der Uhr eine ganz besondere Optik verleiht.
Auch das Uhrwerk, das Kaliber L 043.3, zeigt ebenfalls eine andere Finissierung der Oberflächen
Einige weitere Impressionen der Zeitwerk Handwerkskunst
Dann tat sich erst einmal nicht in der Lange Familie. Bis 2015. In Genf auf dem SIHH konnte man auf dem Messestand von A. Lange & Söhne unverkennbar sehen, welche Uhr im Mittelpunkt steht: die Zeitwerk Minutenrepetition
Auch diese Zeitwerk mit der Referenz 147.025 im Platingewand verfügt über ein Schlagwerk, allerdings über eine “echte” Minutenrepetition.
Gut zu erkennen, dass die Hämmerchen nicht gegen eine aussen liegende Tonfeder schlagen wie bei der Striking Time, sondern gegen eine nach innen gebogene Feder.
Die Dimensionen der Uhr gleichen der Striking Time. Allerdings unterscheidet sich das Uhrwerk enorm.
Das Kaliber L 043.5 verfügt über 771 Einzelteile und 93 Lagersteine! Das ist eine ganze Menge.
Das mikromechanische Meisterwerk eingeschalt:
Wie bereits erwähnt schlägt diese Zeitwerk als Minutenrepetition, hier ein Bespiel.Dabei schlägt die die vollen Stunden, alle zehn Minuten und die einzelnen Minuten darüber hinaus. Der dazu notwendige, höchst komplexe Mechanismus ist im folgenden Bild dargestellt:
Den Doppelton der Zehnerminuten schlagen beide Hämmer leicht zeitversetzt. Das in der Zeitwerk Minutenrepetition arbeitende Manufakturkaliber L043.5 wird mit äußerster Sorgfalt und höchstem Aufwand von Hand vollendet. Die Exzenterunruh mit freischwingender Unruhspirale aus eigener Fertigung oszilliert unter dem handgravierten Unruhkloben mit einer Frequenz von 18.000 Halbschwingungen pro Stunde. Der klingende Zeitmesser mit einem Durchmesser von 44,2 Millimetern ist ausschließlich in Platin erhältlich. Das massiv silberne Zifferblatt ist rhodiéfarben. Markant umrahmt die Zeitbrücke aus schwarzrhodiniertem Neusilber die auf einer Ebene angeordneten Fenster der Stunden- und Minutenanzeige. Die beiden Schlaghämmer bestehen aus schwarz poliertem Stahl und sind sichtbar zu beiden Seiten der kleinen Sekunde integriert:
Links werden die Stunden und rechts die Einerminuten geschlagen; für den Doppelton der Zehnerminuten schlagen beide Hämmer leicht zeitversetzt.
Zu guter letzt möchte ich noch die einzige, bislang gebaute Sonderedition der Zeitwerk präsentieren, die ein Einzelstück ist.
2011 hat A. Lange & Söhne die Zeitwerk Duncan Wang / Kidz Horizon mit der Referenz 140.049F gebaut, die dann zu Gunsten der Kidz Horizon Stiftung versteigert worden ist, im folgenden Bild rechts, neben der normalen Zeitwerk.
Die Uhr bekam ein Weißgold-Gehäuse und ein graues Zifferblatt.
Das Uhrwerk ist das Kaliber L043.1:
Nun noch einige Detail-Impressionen der verschiedenen Mitglieder der Zeitwerk-Familie und der dazugehörenden Uhrwerke.
Ich bin mir sehr sicher, dass die Geschichte der Zeitwerk noch lange nicht zu ende ist. Lange wird sicher noch einige Ideen haben, wie man uns mit weiteren Modellen dieser Familie erfreuen kann. Da bin ich mir sehr sicher!
1 Kommentar ›