Magic Hands – der Parmigiani Pantograph Ovale


Für Uhrensammler sind seit jeher alle Komplikationen abseits der herkömmlichen Zeitanzeige von besonderem Interesse. Tourbillons, Ewige Kalendarien oder Chronographen sind die Klassiker. Die kleine, aber sehr feine Uhrenmanufaktur Parmigiani Fleurier hat sich aber auch intensiv mit der Zeitanzeige, genauer: mit den Zeigern beschäftigt.

Herausgekommen ist eine der spannendsten Komplikation, die ich bislang kennenlernen durfte: teleskopische Zeiger, die perfekte Lösung für eine ovale Uhr.

In diesem Artikel möchte ich beschreiben, wie das Prinzip der Teleskopzeiger funktioniert, welche den Parmigiani Ovale Pantograph einzigartig machen.

Dieses System orientiert sich an ovalen Taschenuhren aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die folgenden Bilder zeigen eine Taschenuhr des Londoner Juweliers Vardon und Stedman aus dem Jahr 1800.

Diese wunderschöne Uhr wurde von Parmigiani im Jahr 1997 aufwändig restauriert und war der Ideengeber für die aktuelle Ovale Pantograph. Das folgende Bild zeigt einen der ersten Prototypen.

Der Mechanismus der Teleskopzeiger darf getrost, mit Blick auf die komplexe Konstruktion und die Anzahl der Einzelteile, als eigenständige Komplikation gesehen werden.

Jeder Zeiger besteht aus verschiedenen gelenkigen Segmenten. So kann sich die Länge der Zeiger der ovalen Gehäuseform anpassen. Oder anders ausgedrückt: die Zeiger haben immer die optimale Länge, egal an welcher Stelle des Umlaufs sie sich befinden.

Das folgende Video zeigt den Umlauf der Zeiger und die Längenänderung anschaulich.

Diese Art Mechanismus nicht mitnichten neu ist. Er wurde in einigen wenigen Taschenuhren in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmalig verwendet und geriet dann lange in Vergessenheit.

Michel Parmigiani lernte diesen Mechanismus kennen und zu schätzen, als er eine solche historische Taschenuhr aus der Sammlung der Familie Sandoz restaurierte.

Er untersuchte den historischen Mechanismus und übersetzte ihn mit modernen Materialien, Technologien und Erkenntnissen in das Hier und Jetzt.

Für den Einsatz in einer Armbanduhr musste der Mechanismus neu entworfen werden, schließlich unterscheiden sich Aspekte wie Belastungen durch Stöße und Bewegungen und vor allem der Energieverbrauch deutlich zwischen einer Uhr, die ruhend in einer Westentasche getragen wird von einer Uhr, die am Arm getragen wird.

Diese unterschiedlichen Belastungen führten schnell zu mehreren Herausforderungen bei der Optimierung des historischen Mechanismus dies es zu lösen galt, weshalb man bei dem neuen Mechanismus konstruktiv eher von einer Neuentwicklung denn von einer Optimierung sprechen sollte. Schließlich durchlief der Mechanismus mehrere ausgedehnte Validierungsphasen im Labor um die Funktion am Arm des zukünftigen Besitzers jederzeit zuverlässig zu garantieren.

Bild © Wikipedia

Seinen Namen hat die Uhr vom Pantographen, einem Instrument zum Übertragen von Zeichnungen im gleichen, größeren oder kleineren Maßstab. Man bezeichnet dieses Instrument auch als Storchschnabel

Konstruktion und Funktion

Wie jede andere mechanische Uhr so verfügt auch der Ovale Pantograph über ein Räderwerk. Seine Aufgabe besteht darin, die Kraftübertragung vom Energiespeicher, dem Federhaus, zum Gangregler des Uhrwerks sicher zu stellen und in eine Zeitanzeige zu übersetzen.

Selten so schön zu bewundern wie bei dieser besonderen Parmigiani im folgenden Bild.

 

Diese Zeitanzeige erfolgt mit Hilfe der Zeiger und des Zifferblattes. Bis zum Räderwerk ist das Kaliber PF110 des Ovale Pantograph vom Grundsatz her identisch aufgebaut wie jede andere mechanische Uhr auch.

Das Räderwerk (siehe das folgende Bild) besteht (vom Federhaus ausgehend): aus dem Minutenrad, dem Kleinbodenrad, dem Sekundenrad und dem Ankerrad, welches durch den Anker getaktet wird. Der Anker wiederum wird durch die Schwingung der Unruh angesteuert.

Bild © http://www.watch-movements.eu

Auf der Welle des Minutenrades, die den Minutenzeiger trägt und die sich in 60 Minuten einmal um 360 Grad dreht, befindet sich das Minutenrohr und ein kleiner Trieb (im folgenden Bild die 4), der über ein Wechselrad (2) samt Trieb (1) das Stundenrad (3) (und den Stundenzeiger) antreibt. Dieses darf sich in 12 Stunden nur einmal um 360 Grad drehen.

Der Vergleichbarkeit halber habe ich die Bezeichnungen (Ziffern) der Einzelteile auch in den folgenden Ausschnitt der weiter oben gezeigten Darstellung des gesamten Räderwerks eingetragen.

Wie bei einem klassischen Uhrwerk so trägt das Stundenrad (3) auch beim Pantograph Ovale den gesamten Stundenzeiger allerdings mit einem komplexen Zusatzmechanismus (5), der die Längenänderung des Zeigers beim Umlauf steuert. Gleiches gilt für den Minutenzeiger, dessen Längenänderung ebenfalls von einem Zusatzmechanismus gesteuert wird (6).

Konstruktion der Zeiger – der Stundenzeiger

Die Basis für die komplexen Zusatzmechanismen, welche die Längenänderungen der Zeiger steuern, ist eine Grundplatte (7). Auf dieser ist mit zwei Schrauben und einem Stift ein Gewinderohr (8) befestigt.

Ich möchte die Konstruktion am Beispiel des Stundenzeigers darstellen. Das Konstruktionsprinzip des Minutenzeigers ist technisch identisch.

Auf dieser Grundplatte wird eine Stundenkurve (10) befestigt. In ihr ist eine ovale Form (9) integriert, die exakt verkleinert der Form des Zifferblatts entspricht.

Der Stundenzeiger (11) ist auf einem Zeigerhalter (12) beweglich befestigt.

Dieser Zeigerhalter (12) hat längliche Öffnungen, damit sich die beiden gelenkig verbundenen Schenkel des Zeigers (13) über ihre Zapfen in diesen Öffnungen bewegen können.

Eine Verschlussplatte (14) und ein Gegengewicht (15) komplettieren die Baugruppe.

Der gesamte Stundenzeiger (4) wird dann mit seinem Zusatzmechanismus wie ein herkömmlicher Zeiger auf das Stundenrad (3) gesetzt.

Die Zapfen der Zeigerschenkel (13) werden in der ovalen Form (9) geführt, wodurch der Stundenzeiger (11) während seiner Bewegung die Länge ändern und der Form des Zifferblatts folgen kann.

Konstruktion der Zeiger – der Minutenzeiger

Der Minutenzeiger hat eine eigene ovale Führung (16).

Das folgende Bild zeigt die Baugruppe des Stundenzeigers mit der obenauf montierten ovalen Führung des Minutenzeigers. Diese wird auf das Minutenrohr (8) gesetzt. Eine Mutter (17) fixiert diese ovale Führung (16) in der Höhe.

Wie der Stundenzeiger ist der Minutenzeiger (18) mit einem Zeigerhalter (12), einer Verschlussplatte (14) und einem Gegengewicht (15) zusammengebaut. Die Zapfen der Schenkel des Minutenzeigers (19) bewegen sich ebenfalls in den länglichen Öffnungen.

Der gesamte Zusatzmechanismus des Minutenzeigers (6) wird wie ein herkömmlicher Zeiger auf dem Minutenrohr (5) befestigt. Die Zapfen der Schenkel des Minutenzeigers (19) folgen während der Drehung der Führung der ovalen Form (16), wodurch auch der Minutenzeiger (18) in seiner Länge der Form des Zifferblatts folgt.

Schließlich wird auf dem Minutenzeiger (6) eine polierte Abdeckung (20) befestigt, um auch den hohen ästhetischen Anforderungen zu genügen.

Die Längenänderung der Zeiger

Der Umlauf der Zeiger ist das bestimmende Element bei der Positionierung der verschiedenen Drehpunkte der Segmente (21). Die Zeiger funktionieren wie Scherenpaare, wobei die Enden mit ihren Führungszapfen in einer ovalen Kurve geführt werden.

Man kann sich gut vorstellen, dass die Länge der Zeiger durch Veränderung der Abstände zwischen den verschiedenen Drehpunkten der Segmente (21) vergrößert oder verkleinert werden kann. Mit anderen Worten ausgedrückt: werden die beiden Schenkel eines Zeigers im größten Durchmessers der ovalen Führung weit auseinander gedrückt so ist der Zeiger kurz.

Das ist bei 3 bzw. 9 Uhr für den Stundenzeiger und bei 15 und 45 Minuten für den Minutenzeiger der Fall

Werden die Schenkel eines Zeigers maximal zusammen gedrückt (dort, wo die ovale Führung ihren kleinsten Durchmesser hat), so sind die Zeiger maximal lang.

Das ist bei 12 bzw. 6 Uhr für den Stundenzeiger und bei 60 und 30 Minuten für den Minutenzeiger der Fall.

Diese ovale Führung war schon beim historischen Vorbild das zentrale technische Element.

Validierung im Labor

Später stellte sich heraus, dass das Gewicht der Zeiger für die geplante Funktion wesentlich zu hoch ist wenn man die ursprünglich benutzten Materialien Messing oder Stahl nutzt.

Schaut man sich das historische Vorbild an so erkennt man die goldenen Segmente, die seinerzeit aus Messing gefertigt worden sind.

Die oben beschriebenen Zusatzmechanismen, welche die Längenänderungen der Zeiger ermöglichen brauchen einen erhöhten Kraftaufwand im Vergleich zu den herkömmlichen Uhren, bei denen ja nur vergleichsweise leichte und filigrane Zeiger bewegt werden müssen. Ein hohes Gewicht der Teleskopzeiger erhöht den Kraftaufwand zusätzlich. Wesentlich mehr wirkt sich aber der Schwerpunkt der Zeiger aus, die wohl größte Herausforderung bei der neuen Konstruktion.

Daher fertigt Parmigiani die neuen Zeiger aus Aluminium. Diese Materials wurde gewählt, weil über das geringe Gewicht hinaus es die harte und widerstandsfähige Oxidschicht, die auf der Aluminiumoberfläche entsteht, ermöglicht mit den Röhren und Zapfen der schwenkenden Segmente der Zeiger „trocken“, ohne zusätzliche Schmierung arbeiten zu können.

Die Wahl von Aluminium reichte allerdings alleine nicht aus um alle technischen Herausforderungen zu lösen. Entscheidend ist neben dem Gewicht auch der Schwerpunkt der Zeiger. Dieser sollte möglichst nahe an der Zeigerachse liegen. Und so wird ein Gegengewicht aus Gold den Segmenten gegenübergestellt.

Aluminium hat, neben den beschriebenen Vorteilen, aber auch Nachteile. Es weist eine Schwäche in der plastischen Verformung auf. Computersimulationen haben gezeigt, dass die Röhren sich bei Stößen und Schlägen plastisch verformen können.

Daher wurden geschlitzte und gekerbte Rohre entwickelt, um deren dauerhafte Funktion zu gewährleisten.

Das sind die Gründe, warum Parmigiani während der Prototypenvalidierungsphasen eine beschleunigte Alterung von 2 Jahren simulierte. Dieser Test bestätigte zudem den schmierungsfreien Betrieb der Zeiger ohne dass es zu einem erhöhten Verschleiß oder zu Störungen gekommen wäre.

Die Ergebnisse der Labortests haben gezeigt, dass die Zeiger im Vergleich zu Standartzeigern nur sehr wenig mehr Energie benötigen und somit den präzisen Gang der Uhr nicht negativ beeinflussen.

Produktvariante

Parmigiani konzipierte auch eine wunderbar elegante Tischuhr mit den gleichen Konstruktionsprinzipien, die zunächst als Einzelstück entwickelt worden ist.

Mittlerweile gibt es diese wunderbare Tischuhr in einer kleinen limitierten Serie.

 

In dieser Uhr tickt das Kaliber PF925.

Kategorien:Parmigiani Fleurier, UhrenSchlagwörter:,

1 Kommentar

  1. Ich finde die Zeiger selbst ohne Längenverstellung schön. Danke auch für diesen tollen Beitrag.

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