A. Lange & Söhne – Richard Lange Tourbillon Pour Le Merite


Die Geschichte von A. Lange & Söhne ist untrennbar mit verschiedenen, in den Jahren entstandenen mechanischen Wunderwerken wie der Taschenuhr No. 42500, dem Tourbograph Pour Le Merite oder der Grande Complication Ref. 1902 verbunden. Ebenso aber auch mit Persönlichkeiten wie Ferdinand Adolph Lange, Walter Lange oder zuletzt Günther Blümlein. Das Schöne bei A. Lange & Söhne ist, dass die Geschichte nicht nur ein nützliches Hilfsmittel des Marketing ist, sondern auch wirklich Einfluss auf Marke und Modelle hat. Technisch ebenso wie auch sonst. Getreu dem Motto “Tradition – Neuester Stand”.

Richard Lange, der älteste Sohn von Ferdinand Adolph Lange wurde 1845, also in dem Jahr der Gründung der Firma A. Lange in Glashütte geboren und trat 1868 in die Firma des Vaters ein, die seit diesem Zeitpunkt den Namen A. Lange & Söhne trägt.

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Richard Lange war genial. So einfach kann man das auf den Punkt bringen. Der Mann entwickelte einige Technologien und Materialien, die noch heute in der Uhrenindustrie genutzt werden. So meldete er z.B. im Jahr 1930  ein Patent mit der Nummer DE 529945 an, welches eine “Metalllegierung für Uhrenfedern mit Berylliumzusatz für mehr Elastizität und Härte”. Somit gilt Richard Lange als geistiger Vater der Nivarox-Spirale. Wer kennt sie nicht?

Aus  diesem Grund benennt A. Lange & Söhne seine hoch komplexen Uhrenspezialitäten nach dem höchsten deutschen Verdienstordens des damaligen Deutschland, “Pour Le Merite” , der für herausragende Dienste im Bereich Wissenschaft und Kultur vergeben worden ist.

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Peter Chong, ein Lange-Enthusiast aus Singapur, hat ein ganzen Buch über die Uhren aus dem Hause A. Lange & Söhne geschrieben, die den Namenszusatz “Pour Le Merite” tragen. Höchst interessant und lesenswert!

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Neben anderen Komplikationen vereint die Uhren aus der “Pour Le Merite”-Reihe von A. Lange & Söhne ein Merkmal: die Kraftübertragung über Kette und Schnecke, wie sie schon frühe Beobachtungsuhren aufwiesen.

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Auf die genaue Funktionsweise komme ich später noch eingehend zurück.

Bei manchen Uhren, auch von A. Lange & Söhne, bietet es sich an, sich nicht nur an optischen Merkmalen zu orientieren und das Gefallen daran festzumachen. Manche dieser hochkomplexen Uhren, egal von welcher Marke, sind von gewöhnungsbedürftiger Optik. Die Faszination erschließt sich erst bei Kenntnis der technischen und technologischen Besonderheiten. Was würde man das versäumen, wenn man sich rein vom ersten, optischen Eindruck abschrecken lassen würde?!

Sö ähnlich ging es mir beim ersten Anblick der Richard Lange Tourbillon Pour Le Merite.

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Das durchaus eigenständige Design dieses Modelle erklärt sich aber schnell, wenn man die Ursprünge dieser Uhr kennt. Lange nahm hier das Design der Taschenuhr No. 93 von Johann Heinrich Seyffert aus dem Jahr 1807

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Im Folgenden Bild sieht man Vorbild und die Umsetzung von A. Lange & Söhne nebeneinander

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Da es sich bei der Armbanduhr von A. Lange & Söhne um ein Tourbillon handelt und man in Glashütte einen möglichst offenen Blick auf diesen faszinierenden Mechanismus geben wollte hat man, im Gegensatz zum historischen Vorbild, einen Durchbruch im Zifferblatt geschaffen, der es aber auch technisch in sich hat.

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Um die Stunden exakt ablesen zu können schwenkt exakt um 6 Uhr ein zusätzlicher Teil des Zifferblattes in den Zifferblattdurchbruch (siehe Bild oben). Exakt um 12 Uhr schwenkt er wieder zurück und der komplette Blick auf das Tourbillon ist wieder für sechs Stunden frei (siehe das folgende Bild)

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Exakt um Zwölf, man beobachte den Stundenzeiger, schwenkt das Zusatz-Zifferblatt zurück und gibt den Blick frei auf einen Teil des Uhrwerkes samt Tourbillon…

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… um dann, sechs Stunden später, um sechs Uhr wieder einzuschwenken und die Stunden auch im Bereich des Durchbruches gut ablesbar zu halten. Und so geht das im Wechselspiel alle sechs Stunden.

 

 

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Alleine dieser pfiffige Mechanismus macht diese Uhr höchst interessant. Aber dieses Modell hat noch wesentlich mehr zu bieten. Im Lange Kaliber L072.1 mit 351 Einzelteilen (ohne die Teile der Kette; s.u.) und 32 Lagersteinen versieht, wie schon erwähnt, auch ein Tourbillon und eine Kraftübertragung vom Federhaus zum Räderwerk über Kette und Schnecke seinen Dienst.

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Das Tourbillon ist ein Kapitel für sich und daher klammere ich dieses an dieser Stelle mal aus. Hier möchte ich mich auf den Antrieb per Kette und Schnecke konzentrieren, dem Merkmal aller Uhren von A. Lange & Söhne mit dem Namenszusatz “Pour Le Merite”.

Sinn und Zweck der Kraftübertragung vom Federhaus, in welchem die Energie für den Gang der Uhr gespeichert ist, zum Räderwerk, über welches die Zeit gemessen und angezeigt wird,  über eine Kette und Schnecke ist ein möglichst konstanter Kraftfluss. Nur dieser stellt ein sehr genaues Gangverhalten der Uhr sicher.

Eine Feder eines Federhauses, aufgezogen über die Krone bei Handaufzugsuhren oder über den automatischen Aufzug bei Automatik-Uhren, entspannt sich und gibt ihre Kraft ungleichmässig ab. Am Anfang, wenn die Feder voll gespannt ist, wird mehr Kraft abgegeben, bei entspannter Feder wird weniger Kraft abgegeben. Das folgende Diagramm stellt den Verlauf des Drehmoments dar.

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Die Kraftübertragung über Kette und Schnecke wurde bereits bei frühen Beobachtungsuhren z.B. auf Schiffen genutzt, um einen möglichst präzisen Gang der Uhr sicherstellen zu können.

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Der komplette Mechanismus, den A. Lange & Söhne nutzt, sieht so aus:

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Vereinfacht ausgedrückt nutzt diese Kraftübertragung die Hebelgesetze aus. Das Federhaus ist in obigem Bild die rechte, zylindrische Trommel. Links davon sieht, über die Kette verbunden, die Schnecke. Die Schnecke weist in ihrem Umlauf verschiedene Durchmesser auf. Wenn das Federhaus voll gespannt ist, dann liegt die Kette am kleinste Umfang der Schnecke an. Folglich steht dem großen Drehmoment der Feder ein kleiner Hebel an der Schnecke gegenüber. Läuft das Federhaus ab, so sinkt auch das Drehmoment und ausgeglichen wird dies durch einen größeren Hebel (=größerer Durchmesser des Umlaufes an der Schnecke) gegenüber. Ergo ist die Kraft, die über die Schnecke an das Räderwerk abgegeben wird immer nahezu gleich groß und der Gang der Uhr folglich auch gleich präzise.

Die Kette alleine besteht aus 636 Teilen, hier einige der Einzelteile:

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Sie ist 24 Zentimeter lang, 0,6 mm hoch und 0,3 mm breit. Die Uhr verfügt über eine Blockierung vor maximalen Aufzug und vor vollständigem Ablauf. D.h. bevor das Federhaus komplett abgelaufen ist wird die Uhr angehalten. Ebenso über einenSekundenstopp für das Tourbillon und über einen Vorspannmechanismus am Federhaus.

Hier die Kette im Uhrwerk:

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Links oben ist ein Teil des Mechanismus der Blockierung vor maximalem Aufzug zu sehen

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Dieser Mechanismus funktioniert wie folgt: beim Aufziehen des Federhauses wickelt sich die Kette um die Schnecke, und zwar in Richtung der kleineren Windungen (im Bild also nach unten). Dabei drückt die Kette auf die gelb gefärbte Arretierwippe. Diese Wippe bewegt den blau eingefärbten Arretierhebel, der wiederum den rosa eingefärbten Arretierzahn, welcher dass in das Sperrrad greift und einen weiteren Aufzug verhindert. An der Kette befindet sich ein sog. Abschaltniet (der rote Punkt unten an der Kette kurz vor der Arretierwippe). Wenn dieser Abschaltniet auf die Arretierwippe aufläuft, dann drückt er diese im Bild nach unten. Die Wippe bewegt den Arretierhebel und dieser den Arretierzahn, der in das Sperrrad greift. Läuft das Federhaus nun ab, so wandert der Arretierniet der Kette wieder von der Arretierwippe weg in Ri. Federhaus und auch die Kette wandert auf dem Bild auf der Schnecke wieder nach oben. Damit werden Arrtierwippe, – hebel und -zahn wieder per Federkraft zurückgestellt und geben das Sperrrad wieder frei. Dann kann wieder aufgezogen werden.

Exkurs:

Bei der Lange 31, einer Armbanduhr mit 31 Tagen Gangreserve nutzt Lange einen anderen Mechanismus namens Nachspannwerk, der aber das gleiche bewirkt wie der Antrieb über Kette und Schnecke.

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Aber das ist wieder ein ganz eigenes Thema für sich und einen eigenen Artikel wert!

Zurück zur Richard Lange Tourbillon Pour Le Merite

Die Blockierung vor dem Vollständigen Ablauf des Federhauses wird wie folgt bewerkstelligt:

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Der lange Stopphebel (hellblau) greift am Gangreserverad oben in eine Art Kurvenscheibe (nicht zu sehen, da sie unter dem Gangreserverad liegt). Nach einer fest definierten Zeit der Gangreserve fällt das kürzere Ende des Hebels (oben am Gangreserverad, der Drehpunkt des Hebels ist die Schraube bei etwa 11 Uhr) in eine Aussparung. Der lange Arm des Stopphebels schwenkt aus und fällt  gegen den gelben, spitz zulaufenden Finger, der auf der Sekundenradwelle sitzt. Sobald der Finger den Stopphebel triff, wird das Uhrwerk angehalten.  Allerdings so, dass der Sekundenzeiger exakt in Nullposition stehen bleibt. Sehr praktisch beim wieder in Betrieb nehmen und Einstellen der Uhr!

Ein weiterer toller und patentierter Mechanismus von A. Lange ist der Sekundenstopp für ein Tourbillon (Bild siehe unten). Die Funktionsweise erklärt sich eigentlich am Bild. rechts im Bild die die Welle der Aufzugs- und Stellkrone. Interessant hieran ist, dass die Unruh über zwei Stoppfedern gebremst wird.

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Nun noch ein paar Impressionen der Richard Lange Tourbillon Pour Le Merite, die mit ihren 41,9 mm im Durchmesser und 12,2 mm in der Höhe wohl proportioniert ist.

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Von der Richard Lange Tourbillon Pour Le Merite gab es auch eine kleine Sonderedition mit dem Namen “Handwerkskunst”, limitiert auf 15 Exemplare:

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Das Zifferblatt wurde aus honigfarbenem Gold, ebenso wie das Gehäuse, hergestellt und mittels Tremblage, einer aufwändigen Gravurtechnik, von Hand verziert. Dabei wird der Fadenstichel in schaukelnden Bewegungen in acht verschiedenen Richtungen über das Zifferblatt bewegt, bis dieses gleichmässige Muster entstanden ist.

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Das Uhrwerk ist auch etwas intensiver verziert als bei der “normalen” Version, es zeigt auf der Dreiviertelplatine den Glashütter Sonnenschliff.

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Wieder einmal eine tolle und innovative Uhr von A. Lange & Söhne, die mehr innere Werte besitzt, als man von aussen auf den ersten Blick erkennen kann. Es lohnt sich also, auch mal hinter die Kulissen zu blicken.

In diesem Sinne!

(Quelle aller Bilder: A. Lange & Söhne)

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