Einige kurze Berichte über die neue Uhrenmarke Moritz Grossmann in Uhrenforen und Blogs weckten in den letzten Monaten zunehmend mein Interesse an dieser Uhrenmarke.
Aus der Ferne beobachten konnte ich den Bau des neuen Grossmannschen Gebäudes in Glashütte bereits bei früheren Besuchen im deutschen Uhren-Mekka.
Doch nun ergab sich die Möglichkeit eines Besuches bei Moritz Grossmann. Hier nun mein kleiner Bericht über diesen Besuch und meine Eindrücke.
Beginnen möchte ich mit den Hintergründen von Moritz Grossmann als Person und der Uhrenmarke an sich.
Karl Moritz Grossmann wurde am 27. März 1826 in Dresden geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und einer Privatschule erhielt er ein zweijähriges Stipendium für den Besuch der Königlichen Polytechnischen Schule in Dresden.
Im Jahr 1842, mit 16 Jahren, begann er eine fünfjährige Lehre bei dem deutschen Uhr- und Chronometermacher Johann Christian Friedrich Gutkaes, bei dem auch schon Ferdinand Adolph Lange in die Lehre gegangen war.
Schon als Lehrling hielt Grossmann Vorträge über Uhrmacherei. Im Jahre 1846 begann seine Wanderschaft als Uhrmacher. 1848 meldete er Großmann als Freiwilliger zum Deutschen Heer. Nach Beendigung dieses Militärdienstes wollte er eigentlich nach Südamerika auswandern, allerdings zerschlug sich dieses Vorhaben, weil sein Schiff in Bremen nicht auslief. Also kehrte aber zunächst zu seinen Eltern nach Glashütte zurück und traf dort Ferdinand Adolph Lange.
Er übernahm bei ihm eine Anstellung, die er nach nur sieben Monaten wieder aufgeben musste. Es folgte ein weiterer Militärdienst. Im Frühjahr 1850 konnte Grossmann eine Stelle beim Hofuhrmacher Biergans in München annehmen, zog dann im Oktober weiter nach La Chaux-de-Fonds in die Schweiz, wo er als Visiteur arbeitete. Nach nur einem Monat musste Grossmann diese Stellung wieder aufgeben und in die Heimat zurückkehren, da in Sachsen erneut mobilisiert wurde. Sein Militärdienst endete schließlich 1852.
Grossmann reiste nun nach England, Spanien, Belgien und Schweden und arbeitet dort als Uhrmacher mit dem Ziel seine Kenntnisse und Erfahrungen zu erweitern. Er kehrte nach Glashütte im Jahr 1854 zurück und gründete eine Uhrenfabrikation, die er bis zu seinem plötzlichen Tod. Karl Moritz Grossmann verstarb am 23. Januar 1885 in Leipzig nach einem Vortrag über „Die Einführung der Weltzeit“. Seine Firma wurde nicht weitergeführt, sondern von seiner Witwe liquidiert.
Grossmann veröffentlichte einige Bücher zum Thema Uhren und Uhrmacherei, z.B. das im Jahre 1866 als sein erstes Werk erschienene Buch „Der freie Ankergang für Uhren“. Zudem engagierte sich Moritz Grossmann auch in der Politik sowohl als Ratsherr im Ort Glashütte als auch als Abgeordneter im königlich-sächsischen Landtag.
Am 1. Mai 1878 eröffnete Moritz Grossmann zudem im Namen des Zentralverbandes der Deutschen Uhrmacher die Deutsche Uhrmacherschule Glashütte (DUS), an deren Entstehen er maßgeblich beteiligt war.
Am 11. November 2008 dann gründete dann Christine Hutter die Marke „Moritz Grossmann“ neu.
Auf ihren Stationen u.a. bei Wempe, Glashütte Original, Maurice Lacroix und A. Lange & Söhne lernte die gelernte Uhrmacherin alles über hochwertige Uhren und fand in Glashütte die Geschichte des Moritz Grossmann wieder, die sie von Anfang an begeistert hat. Der mutige Schritt hin zur Gründung einer eigenen Uhrenmarke, die sich dem Bau hochwertiger Uhren im Sinne Moritz Grossmanns widmet, war die konsequente Folge.
Begonnen hat die Marke in einem leerstehenden Ladengeschäft in Glashütte. Hinzu kamen weitere Wohnungen im gleichen Haus sowie ein Ladengeschäft nebenan. Im Jahr 2013 dann konnte man in den Neubau des Firmengebäudes am Glashütter Bahnhof einziehen.
Das erklärte Ziel von Moritz Grossmann war und ist es Uhren zu fertigen, die klar im Design. fortschrittlich in der Mechanik und perfekt in der Ausführung sind.
Diesem Ziel folgten sowohl die frühen Grossmann-Uhren wies auch die aktuellen.
Das neue Manufakturgebäude liegt auf einem sehr schmalen Grundstück zwischen einem Berghang und der Müglitz.
Es bietet eine großzügige und moderne Infrastruktur und, als Höhepunkt, einen wunderbaren Blick über Glashütte.
Bei Moritz Grossmann hat man sich der Handarbeit verschrieben. So ist die Manufaktur z.B. in Glashütte die einzige Uhrenmarke, die ihre Zeiger selber herstellt.
Und das auf höchst aufwändige Art und Weise und natürlich in fast vollständiger Handarbeit.
Anschaulich dargestellt wurde z.B. auch das Bläuen oder Anlassen der Zeiger über einer Flamme.
Und so benötigt man für die Herstellung eines Zeigersatzes einer Grossmann Uhr zusammen genommen über einen Tag. Nur für die Zeiger.
Ebenso stellt man bei Grossmann auch die Unruh für einige Modelle des Hauses selber her.
Diese spezielle Unruh geht auf Moritz Grossmann zurück.
Und auch hier gibt man sich schon ganz speziell Mühe.
Alleine das Auswuchten der Unruh sowie die anschließende Oberflächenbearbeitung, an die sich ein erneutes Auswuchten anschließt, dauern mehrere Stunden. Für eine Unruh.
Für das Auswuchten wird im Bereich der kleinen Bohrungen (die größeren Bohrungen sind für die Masse- und Regulierschrauben) mit winzigen Feilen und Bohrern solange Material abgetragen, bis die Unruh ausgewuchtet ist.
Natürlich konstruiert eine Marke mit diesem hohen Anspruch an sich die Moritz Grossmann-Uhrwerke selber.
Und gleich nebenan findet sich der Prototypenbau.
Anschließend noch einige Impressionen vom Gebäude, der Fertigung und der Montage, bevor ich zu den fertigen Uhren komme.
Ein weiteres schönes Detail fällt sofort auf: überall bei Moritz Grossmann findet sich Kunst. In den Werkstätten, in den Ateliers, selbst in den Fluren.
Ähnlich wie bei A. Lange & Söhne wird eine jede Uhr zweimal montiert.
Im Rahmen der Erstmontage wird das Uhrwerk zusammengesetzt, das Räderwerk justiert und die Teile des Uhrwerks auf einander angepasst.
Dann erfolgt die abschließende Bearbeitung der Oberflächen, z. B. mit dem dreifachen Sonnenschliff des Federhauses, den es so nur bei Moritz Grossmann gibt.
Durch die Erst- und Endmontage und die dazwischen liegenden Endbearbeitung der Oberflächen verhindert man, dass im Zuge der Erstmontage die fertig bearbeiteten Oberflächen von Schrauben, Brücken etc. beschädigt werden und aufwändig nachbearbeitet müssen.
Im Rahmen der Endmontage wird das Uhrwerk dann in seinen Endzustand zusammengesetzt.
Einige Besonderheiten zeichnen die Moritz Grossmann-Uhren aus.
Uhrwerk als Pfeilerwerk mit 2/3 Platine
Das Uhrwerk ist als klassisches Pfeilerwerk mit 2/3-Platine, gestuftem Unruhkloben und der für Grossmann typischen Feinregulierschraube. Es trägt alle charakteristischen Kennzeichen und handwerklichen Details von Uhrwerken der Marke Moritz Grossmann.
-Die bereits angesprochene Grossmann-Unruh, die in den meisten Grossmann-Kalibern zu finden ist.
Der Grossmann’sche Handaufzug mit Drücker
Eine Handaufzugsuhr wird im Durchschnitt wöchentlich neu eingestellt. Dieser Herausforderung wollen die Grossmann’schen Uhrmacher mit einer größeren Handhabungs- und Funktionssicherheit gerecht werden. Der Mechanismus des neuartigen Handaufzugs mit Drücker schaltet nach einem kurzen Zug an der Aufzugskrone auf Zeigereinstellung um und stoppt gleichzeitig das Uhrwerk. Die Aufzugskrone geht sofort in ihre Ausgangsposition zurück, in der sich jetzt die Zeiger exakt einstellen lassen.
Anschließend wird das Uhrwerk über den Drücker unterhalb der Aufzugskrone wieder gestartet, ohne diese nochmals zu bewegen. Damit wird der Mechanismus gleichzeitig in seine Aufzugsfunktion zurückgesetzt. Mit einem derart perfektionierten Zeigerstellmechanismus können zwei mögliche Fehlerquellen eliminiert werden: das Eindringen von Fremdpartikeln in das Gehäuse während des Einstellvorgangs sowie ein ungewolltes Verstellen der Zeiger beim Zurückdrücken der Aufzugskrone.
Die Regulierung
Die Uhren von Moritz Grossmann tragen ein Reguliersystem mit Rücker, das die Uhr ohne Störung des Gleichgewichtes im Schwingsystem sekundengenau nachregulieren lässt. Die Grossmann’sche Feinregulierschraube erlaubt ein spannungsfreies Feinstellen des Rückers in beide Richtungen.
Das weiter modifizierte Glashütter Gesperr (s.u. Punkt 11 unter „Lagerung des Federhauses“)
Ein modifiziertes Glashütter Gesperr sichert die Spannung der Zugfeder. Nach der Aufzugsbewegung gestattet es dem Sperrrad, etwas zurückzugehen und die Zugfeder leicht zu entspannen. Die Grossmann’schen Uhrmacher realisieren diesen Rücklauf mit einem Langloch, in dem die Sperrklinke mit einem Stift gleitet.
Bei einigen Modellen die für Grossmann typische Art der Anzeige der Gangreserve.
Für die Gangreserveanzeige wurde bei Grossmann eine Lösung in Anlehnung an die Glashütter Beobachtungsuhren gefunden. Ein schlank konstruiertes Kronrad-Differenzialgetriebe wird unterhalb des Sperrrades eingesetzt. Darin erfolgt die Verarbeitung der Drehbewegungen vom Aufziehen und Ablaufen des Uhrwerkes über eine Stegwelle mit Satellitenrad. Die Anzeige der Gangreserve erfolgt durch ein zweifarbiges Zahnsegment und erscheint im Zifferblattausschnitt als weiß-roter Balken. Bei voll aufgezogenem Uhrwerk ist der Balken im Ausschnitt weiß und wird während des Ablaufens zunehmend rot.
Der dreifach gestufte Sonnenschliff
Die Aufzugsräder tragen eine polierte Kantenbrechung in der Verzahnung, die den Teilen die höchste Brillanz verleiht. Das Sperrrad als größtes dieser Räder ist zusätzlich mit einem traditionellen dreistufigen Sonnenschliff dekoriert und fügt sich so harmonisch in das Gesamtbild der breiten Streifen und der Handgravur ein.
Die Goldchatons
Die Lagersteine — weiße Saphire — sind in hervorstehenden Goldchatons eingefasst. Gemeinsam mit den aufgesetzten, einzeln von Hand angelassenen Stahlschrauben überragen sie die Platinenoberfläche. Damit orientiert man sich am Vorbild alter Grossmann-Taschenuhren und erreicht, dass die Lagersteine einzeln entnommen und gereinigt werden können, ohne die Platine bei der Montage zu beschädigen.
Die Handgravur
Alle Gravuren auf der 2/3-Platine, wie auch die Gravur auf dem Ankerradkloben und dem Unruhkloben werden von Hand gestochen.
Die typischen Grossmann-Zeiger
Wie bereits weiter oben beschrieben werden alle Zeiger der Grossmanschen Uhren in handarbeit „inhouse“ hergestellt.
Auch die Form der Zeiger ist einzigartig.
Bei der Benu Tourbillon: das 3 Minuten-Tourbillon nach Alfred Hellwig.
Die BENU Tourbillon geht zurück auf die Gedanken des berühmten Glashütter Uhrmachermeisters Alfred Helwig, der 1920 das fliegende, also einseitig gelagerte Tourbillon entwickelte. Seit 1911 wirkte Alfred Helwig in seiner eigenen Werkstatt und parallel als Lehrmeister an der Glashütter Uhrmacherschule, die er zuvor selbst besuchte. Sein Standardwerk „Drehganguhren“ inspiriert auch 2013 bei der Konzeption des Grossmann’schen Drei-Minuten-Tourbillons.
In der BENU Tourbillon ist der Käfig auf einem gestuften, handgravierten Neusilberkloben fliegend gelagert. Seine Konstruktion ist vollkommen neu erdacht und führt zu einer funktional reduzierten Ästhetik. Das filigran gearbeitete Käfigoberteil bildet eine v-förmige Unruhbrücke, die als signifikantes Merkmal zum Geschmacksmuster angemeldet ist. Die Spirale ist unter der charakteristischen Grossmann’schen Unruh angeordnet. Der kundige Blick fällt somit unmittelbar auf das Herz der BENU Tourbillon.
Der Sekundenstopp des Tourbillons wird über einen Pinsel realisert, der die Unruh stoppt.
Nach mehreren Versuchen mit verschiedenen Materialien fand man bei Grossmann heraus, dass sich das Tourbillon am besten mit menschlichen Haaren auf diese Weise stoppen lässt. Man nutzte für die Tests Haare der Geschäftsführerin Frau Hutter, die noch heute in jedem Tourbillon zur Anwendung kommen.
Die Hemmung des Tourbillons ist ebenfalls besonders.
Der Anker wird aus zwei Teilen gefertigt: einer dünnen Ankergabel mit Sicherheitsmesser nach dem Vorbild der Glashütter Taschenuhren und dem Ankerkörper mit den sichtbaren Saphir-Paletten. Der Weg des Ankers wird über einen Stift an der Verlängerung der Ankergabel begrenzt und somit die Schwerpunktlage des Ankers wesentlich verbessert.
Ebenso besonders ist die Lagerung des Federhauses.
Für das Federhaus wurde eine äußerst selten verwendete, optimierte Lagerung gewählt. Durch die zweiseitige Steinlagerung mit maximalem Lagerabstand zwischen dem Sperrrad und der Werkplatte ist das Federhaus perfekt stabilisiert. Das weiterentwickelte Glashütter Gesperr sichert die Spannung der Zugfeder. Die in einem Langloch geführte Sperrklinke gestattet dem Sperrrad nach dem Vollaufzug etwas zurückzugehen und die Zugfeder leicht zu entspannen. Ein Goldchaton mit Lagerstein dekoriert das Sperrrad und ist Kennzeichen der zweiseitigen Federhauslagerung. In der Schnittdarstellung ist das in Stein gelagerte Federhaus mit seiner Welle gut zu erkennen.
Und noch eine Besonderheit weist das Benu-Tourbillon auf: den Bremsring aus Pockholz
Durch ein zusätzliches Rad wird die Umlaufzeit des Tourbillonkäfigs auf drei Minuten verlängert und dadurch dessen Bewegungsenergie zur Schonung der Hemmung reduziert. Das Trieb für die Sekundenanzeige liegt außerhalb des Kraftflusses der Räderkette und wird mit einem geringeren Drehmoment angetrieben. Um ein Spiel von Welle und Sekundenzeiger zu vermeiden, wird das Trieb durch eine Feder konstant gebremst. Diese Funktion gestalten die Grossmann’schen Uhrmacher dauerhaft sicher und wartungsfrei, indem sie Pockholz, ein sehr ölhaltiges Holz mit dem höchsten Härtegrad „steinhart“, für den Bremsring an der Sekundenwelle einsetzen. Vorbild sind die äußerst zuverlässigen Schiffs- und Turmuhren, die der Tischler John Harrison mit seinem Wissen über die Eigenschaften verschiedener Hölzer im 18. Jahrhundert erfolgreich konstruierte.
Beim Räderwerk setzt man bei Moritz Grossmann auf ein neuartiges Material.
In der BENU Tourbillon soll auch das Räderwerk mit seinen hochwertigen Schliffen und Polituren weder durch Oxydation noch durch Verletzung überzogener Oberflächen an Schönheit einbüßen. Für die Laufwerksräder gewährleistet die Kupfer-Nickel-Zink-Legierung ARCAP dauerhafte Brillanz. Über dem silberfarbenen Räderwerk erhält die aus Berylliumbronze gefertigte Unruh ihren ungestörten Auftritt
Ein weiteres schönes Detail des Tourbillons ist auf der Zifferblattseite zu sehen.
Der vom Tourbillonausschnitt unterbrochene Bereich von 25 bis 35 Minuten ist über die Verlängerung des Minutenzeigers auf einer gegenüberliegenden Skale genau ablesbar. Diese Form der zweifachen Minutenanzeige ist zum Patent angemeldet.
Die Kollektion von Moritz Großmann teilt sich in die Modelllinien Benu (ohne und mit Gangreserve und als Tourbillon)
Atum (mit und ohne Gangreserve)
sowie Tefnut, dies auch als „Lady“-Variante gibt.
Die Bezeichnungen der Uhrenlinien Benu, Atum und Tefnut beziehen sich übrigens auf die Namen altägyptischer Gottheiten.
Derzeit wird bei Moritz Grossmann an weiteren Komplikationen und Funktionen gearbeitet. Wir dürfen also gespannt sein, was diese junge Glashütter Marke künftig präsentieren wird.
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